Es war die erste Nacht in einem richtigen Bett abseits von Wohnmobil, Schiff und Zelt seit Tag 11, als wir Bernie im Hafen von Montevideo endlich abholen durften. Nach dem Aufstehen genossen wir noch den Luxus eines recht leckeren Frühstücksbuffets, bevor wir uns mit der Metro auf den Weg ins Centro machten, wo wir eine Free Walking Tour reserviert hatten. Diese startete an der Iglesia de San Francisco. Die Iglesia de San Francisco in Santiago de Chile ist die älteste erhaltene Kirche der Stadt und stammt aus dem 16. Jahrhundert. Trotz zahlreicher Erdbeben, die Santiago im Laufe der Jahrhunderte erschütterten, wurde sie immer wieder restauriert und steht heute als eines der bedeutendsten kolonialen Bauwerke Chiles. Insgesamt hat die Kirche etwa 15 Erdbeben mit Magnituden über 7 überstanden. Ihre bemerkenswerte Widerstandsfähigkeit wird auf die robuste Bauweise mit dicken Steinmauern und möglicherweise auf eine erdbebensichere Fundamentierung zurückgeführt.  

Iglesia de San Francisco – von außen
Iglesia de San Francisco – von innen

Von dort aus führte uns der Weg zur Avenida Nueva York, die für ihre erdbebensicheren Gebäude berühmt ist und die Börse von Santiago beherbergt. Diese Straße trägt ihren Namen aufgrund der architektonischen Ähnlichkeit zu New York.

Blick in die Avenida Nueva York

Unsere Erkundung setzte sich fort zum Plaza de la Constitución, der vom Zourenfphrer „Square of Power“ genannt wurde. Hier wurde uns erzählt, als eine kleine Gruppe Demonstranten vorbeilief, dass es in Chile üblich ist, erst zu streiken oder zu demonstrieren, bevor Gespräche über das Problem geführt werden. Und am besten demonstriere man vor dem Palacio de La Moneda, dem Palast des Präsidentens.

Demonstration am Plaza de la Constitución
Stattliches Gebäude am Rand des Plaza de la Constitución
Palacio de La Moneda (Präsidentenpalast)

Bei den verschiedenen Stopps erfuhren wir auch einiges über die politische Geschichte des Landes. Als Chile 1810 von Spanien unabhängig wurde, war das Land nur ein Drittel so groß wie heute. Reiche Familien aus der kolonialen Elite übernahmen die politische Macht in Santiago und prägten das Land maßgeblich. Unter der Führung von Bernardo O’Higgins, einem der wichtigsten Befreiungskämpfer, wurde das Land reformiert, doch es gab Widerstand, und O’Higgins wurde 1823 abgesetzt.

Zwischen 1823 und 1970 erlebte Chile eine wechselvolle Geschichte, geprägt von politischen Umwälzungen, wirtschaftlichen Krisen und sozialen Spannungen. In dieser Zeit fanden mehrere politische Umstürze statt, und das Land war von periodischen Diktaturen und demokratischen Phasen geprägt, was zu einer instabilen politischen Lage führte.

Im Jahr 1970 wurde Salvador Allende zum Präsidenten gewählt, der als erster marxistischer Präsident eines demokratisch gewählten Landes in Lateinamerika Geschichte schrieb. Allende setzte auf eine demokratische Version des Sozialismus und strebte umfassende Reformen an, um das Land zu verändern. Doch der Westen, besonders die USA, war gegen seine Politik, die den westlichen Einfluss reduzieren würde. Ein Komplott wurde mit Unterstützung der CIA gesponsert, und 1973 stürzte Allende bei einem Militärputsch, an dessen Spitze General Augusto Pinochet stand. Allende starb unter mysteriösen Umständen im Präsidentenpalast. Hier der Link zu seinem Wikipedia-Artikel, den ich auch noch lesen muss. Ebenso klingt der Wikipedia-Artikel zu den US-Intervention in Chile spannend.

Pinochet etablierte eine brutale Militärdiktatur. In der zweiten Teil der Diktatur war bemerkenswert, dass unter der Diktatur von Pinochet liberale Ideen des amerikanischen Ökonomen Milton Friedman in Chile umgesetzt wurden. Friedman predigte einen nahezu freien Markt und die Abschaffung sozialer Sicherheitsnetze, und 1975 lud er Studenten ein, um in Chicago seine Wirtschaftstheorien zu studieren. Diese Gruppe von Studenten wurde als die „Chicago Boys“ bekannt und beeinflusste maßgeblich die Wirtschaftspolitik Chiles unter Pinochet.

Doch trotz der brutalen Diktatur wuchsen die Wirtschaft und die Börse aufgrund der Marktreformen, was Pinochet die Unterstützung des Westens sicherte. 1982 wurde ein spezieller Sparplan eingeführt, in den jeder Bürger 10% seines Einkommens investieren musste, was das Land auf einen wirtschaftlichen Höhenflug brachte. Doch als die soziale Ungleichheit wuchs, begannen die Erfolge dieser wirtschaftlichen Reformen in Frage zu stellen, und 1988 verlor Pinochet ein Referendum, das die Fortführung seiner Diktatur zur Wahl stellte. Er akzeptierte das Ergebnis, blieb jedoch weiterhin Kommandant der Armee und wurde von den USA geschützt. Pinochet starb 2006 als freier Mann in Santiago.

Weiter ging es am ehemaligen Parlament vorbei, das nach der Diktatur von Pinochet nach Valparaíso verlegt wurde. Wir lernten, dass Valparaíso klimatisch angenehmer ist und vor allem am Wochenende mehr Leben bietet. In der Nähe des Parlaments befindet sich auch der Supreme Court, dessen Gebäude uns auf die politische Entwicklung des Landes aufmerksam machten.

Palacio de los Tribunales de Justicia de Santiago
Palacio del ex Congreso Nacional de Chile

Weiter ging es zum Plaza de Armas, dem historischen Zentrum Santiagos. Hier befindet sich die Catedral Metropolitana de Santiago, ein beeindruckendes Bauwerk, das mehrere Erdbeben überstanden hat. Die Kathedrale wurde mit einem besonderen Mörtel namens „Calicanto“ gebaut, einer Mischung aus Wasser und Stein, die für mehr Stabilität sorgt. Der untere graue Bereich dient als stabile Basis, während der mittlere Teil flexibel genug ist, um Bewegungen standzuhalten. Die oberen Schichten bestehen aus besonders leichten Steinen, um das Gewicht zu reduzieren. Rund um den Platz pulsiert das Leben, aber auch die Kriminalität, wie uns unser Guide Carlos berichtete. Er empfahl uns, auf keinen Fall nachts hierher zurückzukehren. Ebenso brachte er uns von unseren Plan ab, den Mercado Central zum Mittagessen zu besuchen, da dort die Kriminalität tagsüber schön problematisch sei.

Catedral Metropolitana de Santiago – von außen
Catedral Metropolitana de Santiago – von innen

Unsere Tour endete in der Nähe des Cerro Santa Lucia, wo wir noch einer Restaurantempfehlung von Carlos folgten. Anschließend liefen hoch auf den Cerro Santa Lucia, einem grünen Hügel im Herzen der Stadt, an dem die Spanier 1541 Santiago gründeten. Heute ist er eine beliebte Parkanlage mit historischen Festungsanlagen, Aussichtspunkten und kunstvollen Brunnen, von denen aus man einen schönen Blick über die Stadt genießen kann.

Selfie auf dem Cerro Santa Lucia
Blick auf den Parque Metropolitano de Santiago
Fuente de Neptuno von oben (Rückseite)
Fuente de Neptuno

Anschließend ging es mit einem Taxi in Richtung Parque Metropolitano de Santiago, den wir vom Cerro Santa Lucia schon gesehen haben. Interessanterweise sind in Santiago über die Uber-App bestellte Taxis günstiger als Uber-Autos an sich. Im Parque Metropolitano de Santiago erwartete uns die größte Grünanlage der Stadt mit dem Cerro San Cristóbal. Hoch ging es mit einer Standseilbahn, und oben angekommen hatten wir eine beeindruckende Aussicht über Santiago.

Standseilbahnen an der Ausweichstelle
Aussicht vom Cerro San Cristóbal

Zu Stärkung probierten endlich einmal noch Mote con Huesillo, ein traditionelles chilenisches Erfrischungsgetränk aus gekochtem Weizengrieß (Mote) und in Zuckerwasser mit Zimt eingelegten Pfirsichen (Huesillos).

Mote con Huesillo

Anschließend liefen wir die letzten Meter zur Virgen de la Inmaculada Concepción, welche wohl als ein bedeutendes Wahrzeichen der Stadt gilt.

Virgen de la Inmaculada Concepción

Von dort ging es dann mit einer Seilbahn weiter in nordöstlicher Richtung, was uns wieder nahe zu unserem Hotel brachte.

Aussicht aus Seilbahn

Abends wartete dann noch ein schönes Treffen auf uns. Wir waren im Barrio Italia mit Monica aus Tamm und ihrer Tochter verabredet. Monica kennen wir schon von klein auf, und sie macht gerade mit ihrer Tochter Urlaub in ihrem Heimatland, wo sie bis zu ihrem 21. Lebensjahr lebte.

Abendessen mit Monica und ihrer Tochter
Kategorien: Panamericana

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