Am Morgen wollten wir vom Schlafplatz aus die letzten zehn Kilometer und 600 Höhenmeter auf den Cerro Paranal hinauf zum Observatorium fahren. Doch nach dem Starten ging der Motor sofort wieder aus. Beim Tausch des Dieselfilters vorgestern hatten wir offensichtlich die alte Kupferdichtung nicht ersetzt, wodurch die Leitung zur Einspritzpumpe Luft zog. Alleine mit Luft statt Diesel wollte der Motor nicht laufen. Nach ein paar Minuten und mit gutem Zuspruch von Tommy von den Staubteufeln konnten wir aber Diesel mit der Handpumpe nachpumpen, und Bernie sprang an.

Bernie am Schlafplatz

Angekommen am Observatorium wurden wir in kleine Gruppen eingeteilt. Unsere Führung fand auf Englisch statt. Die erste Station war die Residencia, der Wohnbereich für die Wissenschaftler. Das von den deutschen Architekten Auer+Weber entworfene Gebäude wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Es ist so konzipiert, dass es die extrem trockene und heiße Umgebung der Atacama-Wüste ausgleicht. Eine zentrale Kuppel mit Glasdach sorgt für passiven Lichteinfall, und die Baumaterialien – darunter die charakteristische rostrote Fassade aus oxidiertem Eisen – helfen, die Temperaturen stabil zu halten. Die Residencia wurde auch als Drehort für den James-Bond-Film Ein Quantum Trost genutzt, in dem sie als Wüstenversteck des Antagonisten diente.

Residencia von Außen
Residencia von Innen

Von dort ging es hinauf zu den vier Unit-Teleskopen des Very Large Telescope (VLT). Jedes dieser Teleskope besitzt einen Hauptspiegel mit 8,2 Metern Durchmesser. Wir besuchten Unit Telescope 3, genannt Melipal, das hauptsächlich für Infrarotbeobachtungen verwendet wird. Die empfindlichen Instrumente erfordern eine Kühlung mit flüssigem Stickstoff auf -150 °C.

Very Large Telescope (VLT)

Das optische System des Teleskops basiert auf drei Spiegeln. Der Hauptspiegel (M1) ist konkav geformt und sammelt das einfallende Licht. Der sekundäre Spiegel (M2), oberhalb der Hauptstruktur, ist konvex und lenkt das Licht zurück nach unten. Dadurch wird das Licht parallel auf einen dritten, kleineren Spiegel (M3) gelenkt, der in einem 45-Grad-Winkel unterhalb des Hauptspiegels angebracht ist. Dieser Spiegel reflektiert das Licht zu den wissenschaftlichen Instrumenten.

Zu zweit im Unit Telescope 3 (Melipal)

Der Hauptspiegel besteht aus einer 17 cm dicken, 24 Tonnen schweren Zerodur-Scheibe. Da ein solch großer Spiegel durch sein eigenes Gewicht verformen würde, befinden sich darunter 150 Aktuatoren, die durch kontinuierliche Justierung die aktive Optik stabil halten. Um atmosphärische Verzerrungen zu korrigieren, kommt eine adaptive Optik zum Einsatz. Der obere Spiegel (M2) kann vibrieren um Verzerrungen durch die Atmosphäre auszugleichen.  Zur Einstellung der Vibration wird entweder ein heller Referenzstern genutzt oder – falls keiner in der Nähe ist – ein leistungsstarker Laser, der in 90 km Höhe eine künstliche Leuchtquelle erzeugt.

Blick auf den unteren Spiegel

Die vier Teleskope können einzeln betrieben oder durch Interferometrie zusammengeschaltet werden, um eine noch höhere Auflösung zu erzielen. Paranal war an der ersten Aufnahme eines Schwarzen Lochs beteiligt, bei der Observatorien weltweit ihre Daten kombinierten (mehr Details siehe hier). Während der Führung wurde auch die Wartung des optischen Systems erläutert. Die reflektierende Aluminiumbeschichtung der Spiegel ist nur 80 nm dick und muss alle 16 bis 18 Monate erneuert werden. Dazu wird der Spiegel ausgebaut und zur Basisstation transportiert, wo das alte Aluminium in einer Vakuumkammer entfernt und eine neue Schicht aufgetragen wird. Wer mehr Infos haben möchte, kann hier eine virtuelle Tour von zuhause aus machen.

Ein weiteres zukünftiges Projekt der ESO, das Extremely Large Telescope (ELT), wurde ebenfalls vorgestellt. Dieses Teleskop, das derzeit im Bau ist, wird einen 39-Meter-Spiegel aus mehreren kleineren Segmenten besitzen. Im Gegensatz zum VLT wird hier Silber statt Aluminium als Reflexionsschicht verwendet, um eine bessere Lichtausbeute im nahen Infrarot zu erzielen. Mit seinem gigantischen Spiegel und modernster adaptiver Optik wird das ELT das weltweit größte optische Teleskop sein und eine beispiellose Bildschärfe erreichen, die sogar die des Hubble-Weltraumteleskops übertrifft.

Blick auf das ELT

Nach der Führung mussten wir erneut Diesel pumpen, um Bernie wieder zum Laufen zu bringen. In der Mittagspause tauschten wir dann den Dichtring aus, um das Problem hoffentlich nachhaltig zu beheben.

Am Nachmittag fuhren wir weiter zur Mano del Desierto, einer 11 Meter hohen Hand aus Beton, die aus der Atacama-Wüste ragt. Sie erinnert an die Mano de Punta del Este in Uruguay, die wir an Tag 13 besucht hatten. Während wir einige organisatorische Dinge erledigten, trudelten auch Karin und Carsten ein. Die beiden sind mit ihrem VW Bus unterwegs und hatten nach uns an der Führung im Observatorium teilgenommen. Wir hatten sie bereits auf dem Parkplatz des Observatoriums getroffen und uns lose für den Abend bei der Hand verabredet.

Mano del Desierto

Gemeinsam verbrachten wir einen schönen Abend, kochten, aßen und tranken Wein. In der frühen Nacht versuchten wir, die Hand mit der Milchstraße zu fotografieren. Das gestaltete sich allerdings als schwierig, da viele andere Besucher mit Handy-Taschenlampen für störendes Licht sorgten. Auch die Lichter der vorbeifahrenden LKWs auf der Ruta 5 störten massiv. Dennoch hatten wir am Ende einige passable Aufnahmen.

Bernie unter der Milchstraße vor der Mano del Desierto
Kategorien: Panamericana

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