Wir starteten den Tag mit einer Free Walking Tour, die am Plaza 25 de Mayo begann. Sucre wird auch die „Weiße Stadt“ genannt, da viele Gebäude im historischen Zentrum strahlend weiß sind, ein Erbe der spanischen Kolonialzeit. Begleitet von einem Guide erkundeten wir die Stadt zu Fuß und bekamen dabei nicht nur die schönsten Ecken zu sehen, sondern auch jede Menge spannende Infos über Geschichte, Kultur und das Leben in Bolivien.

Erster Halt war ein Laden mit traditionellen Webereien, wo wir erfuhren, dass Bolivien 46 verschiedene Kulturen mit eigenen Sprachen hat. Die meisten dieser Kulturen leben in den tiefer gelegenen Regenwaldregionen, was auch der Grund für den offiziellen Namen „Plurinationaler Staat Bolivien“ ist. Unser Guide erzählte uns außerdem von der indigenen Vorstellung der Welt, die aus drei Ebenen besteht: einer dunklen Unterwelt, unserer realen Welt und dem spirituellen Leben im Himmel.

Unser Guide Hugo im Laden mit traditionellen Webereien

Zurück auf dem Plaza 25 de Mayo gab es eine ausführliche Geschichtsstunde. Bevor die Spanier das Land eroberten, wurde es von den Inka beherrscht, die die indigenen Völker mit brutaler Gewalt unterwarfen. Wegen ihrer Grausamkeit wurden die Spanier anfangs als Befreier wahrgenommen, doch das änderte sich schnell. Sie errichteten ihre eigene Kolonialherrschaft, brachten afrikanische Sklaven nach Potosí und führten neue Tiere und Lebensmittel ein, darunter Pferde, Kühe, Weizen und Spirituosen. Die Sklaven wurden in den Silberminen eingesetzt, überlebten dort jedoch meist nur wenige Monate.

Am 25. Mai 1809 begann hier in Sucre der erste Unabhängigkeitsaufstand gegen die Spanier. Der erste nicht nur in Bolivien, sondern in ganz Südamerika. Der Krieg zog sich allerdings lange hin, da zahlreiche Parteien mit unterschiedlichen Zielen beteiligt waren. So wurden die Kämpfe erst nach 15 Jahren beendet, und Bolivien wurde 1825 unabhängig. Zwei der wichtigsten Nationalhelden waren dabei Antonio José de Sucre, ein General und enger Vertrauter Bolívars, der die entscheidende Schlacht von Ayacucho gewann, nach dem die Stadt benannt ist, und Simón Bolívar, der als Anführer der südamerikanischen Unabhängigkeitsbewegung das Land von der spanischen Herrschaft befreite und dessen Name das Land trägt.

Statue von Antonio José de Sucre auf dem Plaza 25 de Mayo

Nach der Unabhängigkeit wurde Bolivien immer wieder von politischen Konflikten heimgesucht. Es gab seit der Unabhängigkeit mindestens 25 Staatsstreiche, wovon der letzte erst Jahr 2023 war. Dieser sei laut unserem Guide wohl eher eine Show gewesen, um die Beliebtheit des Präsidenten zu steigern. Besonders düster war die Zeit unter Hugo Banzer Suárez, der in den 1970ern 18 Jahre lang diktatorisch regierte und Tausende Oppositionelle ermorden ließ. Ironischerweise wurde er 1999 demokratisch wiedergewählt.

Ein weiteres wichtiges Thema in der bolivianischen Geschichte ist die Hauptstadtfrage. Sucre ist die offizielle Hauptstadt und Sitz des Obersten Gerichts, aber die Regierung sitzt in La Paz, weil dort Gold gefunden wurde. Als 1898/99 der Regierungssitz offiziell nach La Paz verlegt wurde, führte das zu blutigen Protesten, bei denen viele Studenten aus Sucre ums Leben kamen.

Casa de la Libertad
Palacio Del Gobierno Nacional

Unsere Tour führte uns weiter zur ältesten Universität Boliviens, die heute vor allem für Medizin und Jura bekannt ist. Hier erfuhren wir, dass die Schulpflicht nur bis 12 Jahre geht und sich viele Familien keine weiterführende Bildung leisten können. Wer als Lehrer an einer staatlichen Schule arbeiten möchte, braucht oft eine Parteimitgliedschaft. Danach stoppten wir am Templo San Francisco, wo uns die „Liberty Bell“ (mit Riss) gezeigt wurde, die an den Freiheitskampf erinnert.


Universidad Mayor, Real y Pontificia de San Francisco Xavier de Chuquisaca
Schönes Café auf der Rückseite der Universität
Templo San Francisco
Plaza San Francisco

Auf dem Mercado Central lernten wir, dass „Jugo“ (Saft) immer mit Milch oder Wasser gemischt wird, während „Zumo“ reiner Fruchtsaft/reines Püree ist. Wir entschieden uns für einen Zumo.

Obststand auf Mercado Central
Sachstand wo unser Zumo zubereitet wurde
Stand mit Chilis und uns unbekannten Produkten

Als letztes Ziel der Tour ging es zum Tribunal Supremo de Justicia, dem Obersten Gerichtshof Boliviens. Auf dem Weg dorthin liefen wir durch eine Gasse, in der alle Anwälte der Stadt ihre Büros haben. In Bolivien ist es üblich, dass Geschäfte mit derselben Branche in bestimmten Straßen konzentriert sind. Auf dem Platz vor dem Gericht gab es einen kunstvollen Brunnen, der angeblich aus Frankreich importiert wurde, sowie einen kleinen Turm, der von der Firma Gustave Eiffels erbaut wurde.

Tribunal Supremo de Justicia
Aus Frankreich importierter (?) Brunnen
Von der von der Firma Gustave Eiffels erbauter Turm

Nach der Tour kehrten wir mit einem spanisch-israelischen Pärchen noch einmal auf den Markt zurück und aßen Mondongo, ein bolivianisches Gericht mit Schweinefleisch in roter Soße. Nachdem wir bei der Tour an einem Stand eine Mango probieren durften und sie sehr lecker war, kauften wir dort noch eine.

Mittagessens-Bereich im Mercado Central
Mondongo

Zurück am Wohnmobil verbummelten wir die Zeit ein wenig – unter anderem damit, einem Schweizer Ehepaar (75 Jahre) zu helfen, einen neuen Reifen zu bestellen. Ihnen war erschreckenderweise auf der Strecke von La Paz nach Sucre ein Reifen explodiert.

Zum Abschluss des Tages folgten wir dem Tipp unseres Guides und fuhren zum Mirador Recoleta, um den Sonnenuntergang zu genießen. Allerdings spielte das Wetter nicht mit – dicke Wolken verdeckten die Sonne. Also machten wir das Beste daraus: Wir bestellten uns etwas zu trinken und genossen trotzdem die schöne Aussicht über die Stadt.

Plaza Pedro de Anzúrez
Aussicht vom Mirador Recoleta

Zum Abendessen landeten wir in einem japanischen Restaurant, wo wir sehr leckeres Essen bekamen.

Kategorien: Panamericana

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